Die „Geißlerspiele“ (Deutschlandfunk) oder wie sich der Geißlersche Moderationsstil auf Unternehmen der Wirtschaft übertragen lässt

In den Schlichterspruch von Heiner Geißler in Sachen „Stuttgart 21“ im November letzten Jahres wurden viele Hoffnungen gesetzt: die der Gegner, dass sie endlich gehört und nicht mehr ignoriert werden und die der Befürworter, dass man endlich weitermachen und den Bau voranbringen könne. Der 80-Jährige leitet souverän die Diskussion, fragt, fasst zusammen, legt dar, fragt wieder. Er will beide Seiten hören und wirklich verstehen und ist damit mitten drin im Harvard-Konzept: Hart in der Sache, weich zur Person. Dabei lobt und kritisiert er ebenso beide Seiten, wie er sich gegen das Kauderwelsch der Experten wehrt. Denn er versteht sich auch als „Anwalt des Publikums“, das gefälligst verstehen soll, worum es eigentlich geht.

Was ist es eigentlich, was Herr Geißler gemacht hat? 

»    Mediation?
eher nicht, denn dazu ist ein speziell geschulter Mediator nötig, der nach festgelegten Verfahren die Parteien zur Konfliktlösung führt

»    Schiedsverfahren?
auch nicht, denn der Schiedsspruch von Heiner Geißler hat keine rechtsverbindliche Wirkung

»    Schlichtung?
ebenfalls nicht, da es zwar eine unverbindliche Empfehlung gibt, diese aber nicht am Ende eines Verfahrens steht. S21 war ja längst beschlossene Sache.

»    Konfliktmoderation?
dies scheint am besten zuzutreffen. Herr Geißler unterstützte bei der Gesprächsführung und leitet die strukturierte Diskussion, die sich mit der Sache beschäftigte.

Und wie können das Unternehmen nutzen?

In fast jedem Unternehmen gibt es Themen, bei denen es sich wirklich lohnt, die Belegschaft schon früh in den Entscheidungsfindungsprozess miteinzubeziehen. Ob es um Kosteneinsparungsmaßnahmen, Strategieänderungen oder Umstrukturierungen geht – Unternehmen könnten die Mitarbeiter ins Boot holen und eine „Geißlersche Moderationsrunde“ veranstalten. Der Input dieser großen Runde bringt ihnen zusätzliche Aspekte und vervollständigt das Gesamtbild. Sicher fällt am Ende die Geschäftsleitung die Entscheidung, denn sie hat sie schließlich auch zu verantworten. Wichtig ist dabei, dass sie die Interessen der Belegschaft miteinbezieht und berücksichtig. Und was bringt´s? Im weiteren Sinne ist es ein Tauschgeschäft: die Geschäftsleitung lässt sich in die Karten schauen, nennt Zahlen und ist bereit, Kompromisse zu machen und bekommt dafür eine wesentlich höhere Change-Motivation. Auch die Attraktivität als Arbeitgeber steigt. Die Mitarbeiter wollen sich verstanden fühlen, dann stehen sie auch in schwierigen Zeiten hinter dem Unternehmen.

Am Ende des Tages (bzw. einer Geißlerschen Diskussion) geht es nicht unbedingt darum, einen Konsens zu finden. Es geht doch vielmehr um die Tatsache, dass man nach einer solchen „moderierten Aussprache“ die Argumentation der Gegenseite besser verstehen kann und dementsprechend aus einem veränderten Bewusstsein heraus handelt.

Was meinen Sie dazu? Ich freue mich auf Ihre Meinung.

Einen ausführlichen Bericht zum Thema finden Sie im Magazin wirtschaft+weiterbildung, Ausgabe 02_11

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