Rezension: Visualisieren am Flipchart

Ein Grundlagenwerk mit sehr viel Hintergrundinfos und Praxistipps

Das Wichtigste vorweg: Ich LIEBE Flipcharts! Ich LIEBE Visualisierungen! In meinen Trainings, Workshops und Vorträgen darf niemals ein Flipchart fehlen. Ich habe eine reichhaltige Stiftesammlung und seit Kurzem für meine Visualisierungen auch einen eigenen Instagram-Account. In meinem Bücherregal stehen diverse Bücher zum Thema Visualisieren … und trotzdem kam ich an diesem nicht vorbei. Nicht zuletzt aus dem Grund, weil Bettina Schöbitz schon während des Schreibens am Buch ab und zu über diverse Social-Media-Kanäle darüber berichtete und mich so neugierig gemacht hat.

Zahlen, Daten, Fakten zum Buch

Sechs Teile, 20 Kapitel, 272 Seiten. Vollgepackt mit fundiertem Wissen, Hintergrundinfos und – wie sollte es anders auch sein – jeder Menge Visualisierungen. Der Aufbau ist klar und gut nachvollziehbar und reiht sich in die klassische Struktur der „Für Dummies“-Bücher ein. Was mir hier gleich positiv auffällt ist, dass das Buch im Vergleich zu anderen Büchern aus der Wiley-Reihe, die in schwarz-weiß gehalten sind, im Innenteil farbig gestaltet ist. Diese Farbtupfer allgemein und natürlich auch die farbigen Zeichnungen machen das Buch für mich sehr lebendig. Dazu trägt ebenso der Inhalt und die Sprache bei.

Inhalte – Lesen und zeichnen – Bitte halten Sie Stift und Papier bereit

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Buchcover “Visualisieren am Flipchart für Dummies”, Bettina Schöbitz

Im ersten Teil geht es um Flipchart-Grundlagenwissen.

Die Autorin liefert sehr überzeugende Argumente für den Einsatz von Flipcharts und Visualisierungen. Wer noch nicht wie ich bereits überzeugte Anwenderin ist, findet hier „stichhaltige Beweise“ und vielfältige Gründe FÜR deren Einsatz. Es geht um die Aktivierung der Sinne, verschiedenen Lerntypen, Emotionen, Achtsamkeit und MERKwürdigkeit. Denn „Menschen können Emotionen und Bilder immer wieder abrufen, die ihrem Gehirn des Merkens würdig (= merkWÜRDIG) erschienen sind.“, so die Autorin. Ich stolpere beim Lesen über das Wort „indivisuell“ und bin direkt schockverliebt. Nein, es ist kein Tippfehler, sondern eine Wortkreation der Autorin aus den Worten individuell und visuell. Denn beim Üben entwickelt man einen eigenen Stil, ähnlich der Handschrift, und der macht meine Visualisierungen dann eben indivisuell. Und dann geht´s ans Zeichnen. Wir starten mit den Grundformen und bekommen von der Autorin auch direkt die „Erlaubnis zur Imperfektion“. Das ist ein Formular, in das man seinen Namen einsetzen kann und welches von der Autorin unterschrieben ist. Herrlich, ich kopiere mir das gleich, als kleine Erinnerung, falls ich beim nächsten Flipchart zu perfektionistisch rangehe. Vorteile und Grenzen von Flipcharts, eine kompakte Übersicht verschiedener Flipchart-Varianten mit Vor- und Nachteilen und eine umfangreiche Übersicht möglicher Inhalte und der Umsetzung auf Flipcharts runden den ersten Teil ab.

Im zweiten Teil geht es um Schrift.

Es gibt mindestens zwei weit verbreitete negative Glaubenssätze in Bezug auf Flipcharts. Der eine ist: „Ich kann nicht zeichnen.“ Wenn Sie dieses Buch lesen und die Übungen machen, die Bettina Schöbitz anbietet, dann werden Sie sehr schnell merken, dass Sie sich davon lösen können. Der zweite negative Glaubenssatz ist: „Ich habe keine schöne Handschrift.“. Im Buch nennt es die Autorin „Handschriftentrauma“ und gibt sofort zwei wirksame Tipps, das Trauma zu bewältigen: nämlich die richtigen Marker zu benutzen und in Druckbuchstaben zu schreiben. So einfach ist das ?. Naja fast. Die Bettina Schöbitz teilt in diesem Abschnitt ausführlich ihr Wissen im Zusammenhang mit Schriftarten, Schriftgrößen, Moderationsschrift, der eigenen Basisschrift, Proportionen, Laufweite, Füßchen für die Schrift und den „Angebern unter den Buchstaben“ (Versalien, Majuskeln und Kapitälchen). Im weiteren Kapitel geht´s dann zur Ausgestaltung der Schriften, indem Schatten, Farbe, verschiedene Varianten in Kombination und verschiedene Abstände ins Spiel gebracht werden. Der umfangreiche Text wird dabei immer wieder durch gelungene Visualisierungen des Gelesenen unterstützt.

Im dritten Teil geht es um Struktur …

… die im Buch „Flipchart-Grammatik“ getauft wird. (Noch so eine schöne Wort-Assoziation, die mir als Texterin mitten ins Herz geht.) Wer schon einmal mit einem Flipchart gearbeitet hat, kennt das wahrscheinlich: Huch, der Platz reicht nicht aus. Nun sind die Dinger doch so groß und trotzdem geht uns manchmal der Platz aus. Wir lernen hier die Basics über Blattaufteilung, den Goldenen Schnitt, die Platzierung der Elemente auf dem Flipchart und eine der für mich wichtigsten Grundregeln überhaupt: Weniger ist mehr! Spannend: im 7. Kapitel geht es hier dann auch um die magische Sieben. Meinen ganz persönlichen AHA-Moment habe ich übrigens auf Seite 119, als es um das Thema „Branding für Ihre Flipcharts“ geht. Es ist nicht so, dass ich das gänzlich vernachlässigt hätte in meiner bisherigen „Visualisierungs-Laufbahn“, aber so konsequent, wie es Bettina Schöbitz hier darstellt, ja sogar fordert, habe ich das eben noch nicht gemacht. Und klar, das Argument des dokumentierten Urheberrechts überzeugt mich voll und ganz. Außerdem lernen wir, wie wir Container, Pfeile, Aufzählungszeichen und Trenner zeichnen und auf dem Blatt anordnen, um Struktur für das Auge unserer Zuschauer schaffen. Ein weiteres Highlight in diesem Teil, das mir in meiner täglichen Visualisierungspraxis immer wieder begegnet: der Griff in die Schatzkiste – sprich, wie wir mit ein paar kleinen Effekten, nämlich mit Rahmen, Schatten, Perspektive und Basis die Wirkung der Visualisierungen noch verstärken können. Da habe ich sofort das Bild vor Augen, wenn ich den grauen Pinselstift in die Hand nehme und mit ein paar gezielten Strichen Schatten aufs Papier zaubere. Mit einem kurzen Schwenk zur Farbenlehre und auch hier dem notwendigen Basiswissen zu Primär-, Sekundär- und Komplementärfarben sowie einer kompakten Übersicht der Farben, ihrer Wirkung und dem Einsatz am Flipchart endet dieser Teil des Buches.

Im vierten Teil geht es ums Zeichnen.

Ran an die Stifte! Endlich, darauf habe ich mich wirklich am meisten gefreut! Für absolute Neulinge und Einsteiger ist die Hinführung zum Zeichnen mit all den wichtigen Themen vorher unbedingt notwendig. Ich als Fortgeschrittene habe ehrlich gesagt nicht alles Wort für Wort gelesen. Aber das bietet das Buch ja sowieso an und zeigt mit den Symbolen auch immer „Abkürzungen“ auf. Das gefällt mir gut. Jetzt also zeichnen. Die Erläuterungen sind sehr gut verständlich. Aus den Grundformen zeichnen wir kurzerhand die ersten Visuals.

Anhand der Schritt-für-Schritt-Zeichenanleitungen entstehen leicht weitere Symbole aus dem Business-Umfeld: Buch, Zeitschrift, Aktenordner, Klemmbrett, Bleistift, Brille, Lupe, Laptop, Fußspuren, Mülleimer uvm. Einmal angefangen, blättere ich immer weiter und zeichne einfach immer weiter. Setze Schatten und Farbe ein und schwupps, war die außerplanmäßige Übungsstunde im Nu vergangen. Einzig die Reihenfolge der Schritt-für-Schritt-Anleitungen irritiert mich etwas. Es geht immer unten links los, bei mehrzeiligen Anleitungen hab´ ich dann oft erst falsch geschaut. Ist wahrscheinlich irgendwie Gewöhnungssache. Aber das ist letztendlich auch nicht „kriegsentscheidend“, wie man auf dem Übungsblatt sieht.

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Neben jeder Menge Business-Symbolen gibt es eine schöne Beispielsammlung zu weiteren Themenbereichen: Handwerk, Haushalt, Schule und Tiere sowie ein umfangreiches Kapitel zu Männchen, Gesichtern und Emotionen. Also die Gefahr ist wirklich groß, dass man das Buch dann erstmal zur Seite legt und einfach zeichnet. Nun, das ist ganz sicher im Sinne der Autorin.

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Im fünften Teil bekommen wir Profitipps …

Da fühle ich mich auch gleich zuhause. Ich teile nämlich die Begeisterung der Autorin für eine bestimmte Marke ihres Werkzeuges und nenne jede Menge Stifte, Papier und – in Kürze auch einen Tisch-Flipchart – mein Eigen. Das ist wirklich einfach gutes Material! Witzig und erfrischend finde ich das Kapitel 14 „Pannen professionell meistern“. Ich hab´ mich ein paar Mal in den Erzählungen selbst wiedergefunden und konnte auch hier noch den ein oder anderen Tipp für die nächste Panne mitnehmen. Ich freue mich schon richtig drauf, wenn ich „Platz für richtig lange Wörter schaffen“ mal anwenden kann. Die Tipps für Linkshänder sind für mich nicht relevant, dennoch habe ich sie quergelesen und fand das mal interessant zu lesen, womit sich Linkshänder beim Visualisieren am Flipchart (noch zusätzlich) beschäftigen (müssen).

Der sechste Teil ist der Top-Ten-Teil.

Nach dem Zeichnen-Teil mein zweitliebster Abschnitt im Buch.Alles schön kompakt in Listen und Tipps verpackt und das auch noch nett visualisiert. Das können Einsteiger wie auch Profis direkt als Checkliste benutzen. Mehr Professionalität am Flipchart, die zehn Toptipps für die Erstellung und – mein Favorit – das Notfallköfferchen. Das nehm´ ich gleich mal als Aufgabe mit, mein eigenes Notfallköfferchen zu vervollständigen. Zum Abschluss gibt’s nochmal richtig, richtig viel Inspiration für Zeichenübungen: zehn verschiedene Glühlampen, den eigenen Schreibtisch bzw. das, was da so draufliegt, eine Einkaufsliste, den nächsten Urlaub, ein Kochrezept und vieles mehr. Auch hier finde ich jede Menge Inspiration für meine eigenen Bildvokabeln und zeichne munter drauflos.

Mein Fazit

Absolute Leseempfehlung für alle, die mit dem Visualisieren am Flipchart starten wollen. Auch Profis finden in diesem Buch jede Menge Tipps und Tricks für ihren Visualisierungsalltag.

Bettina Schöbitz: Visualisieren am Flipchart für Dummies
1. Auflage April 2020
WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim
ISBN 978-3-527-71699-9
22,00 EUR

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